DJV-Funktionäre schnüffelten als IM | Stasi-Skandal erschüttert Journalisten-Verband
Stasi-Akten im BStU-Archiv Foto: picture alliance / dpa
- Von HANS-W. SAURE
Leipzig – Vor 2 Monaten trat eine Funktionärin des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg zurück, nachdem BILD ihrer frühere Stasi-Tätigkeit als IM „Helene” enthüllt hatte. Jetzt erschüttert ein neuer Stasi-Skandal den Deutschen Journalistenverband (DJV). Gleich mehrere Funktionäre arbeiteten für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR.
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Allein beim DJV-Landesvorstand Sachsen-Anhalt spitzelten drei von sechs Vorstandsmitgliedern für die Stasi.
Klaus-Peter Voigt (61), Vize-Chef des DJV Sachsen Anhalt, war von 1974 bis 76 hauptamtlicher MfS-Mitarbeiter. Nach seinem Ausscheiden verpflichtete er sich 1981 als inoffizieller Mitarbeiter. Unter dem Decknamen „Peter Luther“ übernahm er „operative Einsätze“ in Polen, berichtete über oppositionelle polnische Bekannte. In der DDR bespitzelte „Peter Luther“ kirchliche Gesprächskreise und CDU-Mitglieder. Voigt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Wolfgang F. Salzburg (66), Schatzmeister des DJV in Sachsen-Anhalt, berichtete von 1976 bis 1989 unter dem Decknamen „Rainer Schütze“ konspirativ an die Stasi, unter anderem über eine englische Diplomatin.
Jörg Bönisch trat kürzlich als Beirat zurück. Er war für die Stasi als IM Andy tätig
Beirat Jörg Bönisch (52), der kürzlich wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Bundsverband zurücktrat, verpflichtete sich während seiner NVA-Zeit 1982 unter dem Decknamen „Andy“ als inoffizieller Stasi-Mitarbeiter.
Sachsen-Anhalts DJV-Vorsitzender Uwe Gajowski zu BILD: „Herr Salzburg hat sich als Gründungsvorsitzender Anfang der 90er Jahre offenbart und sich 20 Jahre mit Ämtern zurückgehalten. Die beiden anderen Fälle sind mir nicht bekannt.“
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Michael Schlutter, Vorsitzender des DJV-Sozialwerks in Thüringen, gab 1975 während seiner Armeezeit eine Stasi-Verpflichtungserklärung ab, berichtete laut Akten aber nur widerwillig. Schlutter zu BILD: „Es stimmt, dass ich eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe. Ich habe die Sache verdrängt. Als ich meine Kumpels ausspionieren sollte, habe ich das abgebrochen. Außerdem ging mir die ganze Sache dann auch prinzipiell gegen den Strich. Aber da hatte ich dummerweise und in meiner Unerfahrenheit schon diese Verpflichtung geschrieben.“
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Der langjährige Vize-Chef des DJV-Sozialwerks Sachsen und ehemalige DDR-Journalistik-Professor Heinz Halbach spionierte seit 1966 für die Stasi. Halbach starb im Dezember mit 84 Jahren. Als IM „Taube“ bespitzelte er unter andrem Journalisten in Polen und Rumänien, erhielt von der Stasi Geldprämien.
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Nicht nur der DJV hat Funktionäre mit eine Stasi-Vergangenheit.
NDR-Redakteur Axel Seitz (49) gab als NVA-Soldat im März 1985 eine Verpflichtungserklärung der Stasi ab. Er berichtete 1986 als IM „Journalist“ der Stasi über einen Soldaten, „der fast ständig Westsender empfängt“. Seitz zu BILD: „Meinem Arbeitgeber, dem Norddeutschen Rundfunk, ist seit 1993 im Rahmen einer allgemeinen ,Gauck-Abfrage’ für neu eingestellte Mitarbeiter im NDR-Landesfunkhaus M-V meine Tätigkeit für das MfS während meiner NVA-Zeit zwischen 1985 und 1986 bekannt. Ich habe den Norddeutschen Rundfunk bereits zuvor über Kontakte zum MfS informiert. Anschließend hat der NDR mein Verfahren bewertet.“
NDR-Sprecher Martin Gartzke: „Der NDR hat Anfang der 90er Jahre diesen Fall in Kenntnis der Unterlagen der damaligen „Gauck-Behörde“ sorgfältig geprüft. Im Ergebnis ist der NDR auch nach Anhörung von Herrn Seitz zu der Auffassung gelangt, dass keine Gründe vorlagen, um das gerade geschlossene Arbeitsverhältnis zu beenden. Dabei waren insbesondere Zeitpunkt, Dauer und Umfang der Tätigkeit ausschlaggebend.“
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Andreas F. Rook, Moderator des MDR-Sachsenspiegels und Mitglied im Vorstand der Landespressekonferenz Sachsen bespitzelte zwar niemanden. Er verpflichtete sich aber zum dreijährigen Wehrdienst bei einem Stasi-Wachregiment. Rook zu BILD: „Meine Wehrdienstzeit im Wachregiment ist dem MDR bekannt. Wie alle anderen Mitarbeiter wurde ich überprüft. Es gab keine Beanstandungen. Mit meinem heutigen Wissen würde ich einige Entscheidungen von vor 30 Jahren anders treffen, ganz sicher auch den der Wehrpflicht im Wachregiment.“
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Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen kritisiert gegenüber BILD: „Es geht um die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Aufklärung über die DDR-Vergangenheit nimmt Schaden, wenn man als Journalist dabei seine eigene Vergangenheit verschweigt.”. Weiter erklärt Jahn, der selbst lange als TV-Journalist arbeitete: „Keiner sollte auf ewig verdammt sein für eine frühere Tätigkeit als IM. Aber es ist nicht akzeptabel, wenn jemand sich als Journalist in den Vorstand eines Verbands wählen lässt, ohne seine Vergangenheit transparent zu machen.“
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Stasi-Skandal im Journalistenverband:
DJV lehnte Überprüfung des Vorstands ab
- Von HANS-W. SAURE
Halle – Der Deutsche Journalistenverband (DJV) und seine Stasi-Verstrickungen. Nachdem BILD enthüllt hatte, dass alleine beim DJV-Landesverband Sachsen-Anhalt drei von sechs Vorstandsmitgliedern für die DDR-Geheimpolizei spitzelten, kommt jetzt heraus. Die Mitgliederversammlung des DJV lehnte eine Stasi-Überprüfung der Verbandsführung ab.
Uwe Gajowski, Vorsitzender DJV-Landesverband Sachsen-Anhalt, zu BILD: „Vor dem letzten Verbandstag im Jahr 2013 lag der Antrag eines Mitgliedes vor, die Mitglieder des Landesvorstandes auf eine IM-Tätigkeit für das Ministerium der Staatssicherheit der DDR überprüfen zu lassen. Die Mehrheit der Teilnehmer am Verbandstag wollte dem Antrag allerdings nicht folgen.“
Eine kritische Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit ist für den Deutschen Journalistenverband offenbar kein Thema mehr. Uwe Gajowski: „Der Tenor der Argumentation lag darin, dass selbst der öffentliche Dienst mehr als 20 Jahre nach der Wende seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr überprüfen lässt.“
Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, hat für diese Haltung kein Verständnis. Gegenüber BILD sagt er: „Die Vorgänge im DJV reihen sich ein in eine lange Kette von Versäumnissen im ostdeutschen Journalismus. Die Wächterfunktion der Medien steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit der Journalisten. Das gilt auch und besonders für ihre Berufsorganisationen.“
Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen hatte bereits gegenüber BILD kritisiert: „Es geht um die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Aufklärung über die DDR-Vergangenheit nimmt Schaden, wenn man als Journalist dabei seine eigene Vergangenheit verschweigt.“
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Selbst SED-Opfer müssen eine reine Weste haben und ihre Verfolgung durch Vorlage einer BStU-Unbedenklichkeitsbescheinigung glaubhaft machen, wenn sie als SED-Opfer anerkannt werden wollen und die “Besondere Zuwendung” beziehen wollen.