003. Staatsfeinde wurden manchmal delegiert, Schwachköpfe auf jeden Fall nicht

Behauptung:
Als Staatsfeinde durften wir nicht studieren und delegiert wurden wir natürlich auch nicht.

Staatsfeinde wurden manchmal delegiert, wenn sie fachlich etwas auf dem Kasten hatten. Beispiel:

“K. ist trotz einer politisch negativen Beurteilung durch das Funkamt Königswusterhausen aus dem Jahre 1960 in der Studiotechnik eingestellt worden.”  (Brief der ZPL an das ZK)

Dass K. beim Fernsehen der DDR in Berlin-Adlershof eingestellt wurde, lag daran, dass der Laborleiter Dr. D. einen geeigneten Funkmechaniker suchte. Er sprach den Lehrlingsausbildungsleiter an, der auch für die in der Außenstelle Funkamt Königs Wusterhausen auszubildenden Lehrlinge zuständig war. Der Ausbildungsleiter empfahl dem Laborleiter den K., weil er wusste, dass K. fachlich “Bester der Lehrwerkstatt” war. (ZK der SED)

Die Delegierung des K. zum Ingenieurstudium erfolgte ebenfalls wegen seiner fachlichen und nicht wegen seiner politischen Leistungen. Ganz ohne Fachleute kam man offensichtlich auch in der sozialistischen Volkswirtschaft nicht aus, gerade weil auch viele SED- und Stasi-Vollidioten leitende Stellungen bekleideten, weiter nichts leisteten, als den Unrechtsstaat abzusichern, und von den Fachleuten ernährt werden mussten.

Der Laborleiter Dr. D. unterstützte den Wunsch des K., zum Ingenieurstudium delegiert zu werden. Der Kaderleiter T. schloss sich dem an, obwohl er zuvor noch dem K. inaktives Verhalten in der FDJ vorgeworfen hatte (ZK der SED).

K. stand nicht zum System und wurde trotzdem delegiert. Der Stasi-Leutnant Wol. der Kreisdienststelle Königs Wusterhausen hat 1966 festgestellt, nachdem K. sein Studium beendet und er bereits ein Jahr als Ingenieur beim Fernsehen der DDR gearbeitet hatte:

“Man muss abschließend einschätzen, dass der K. – trotzdem ihm alle Möglichkeiten seiner Entwicklung durch unseren Staat eingeräumt wurden – keine positive Einstellung zu unserer Gesellschaftsordnung hat. Trotzdem er ein geistig hochstehender Mensch ist, wird er so beurteilt, dass er die politischen Zusammenhänge nicht erkennt oder erkennen will und es ist nicht angebracht, den K. für bestimmte Formationen innerhalb der NVA einzusetzen.” (ZK der SED)

Die Ehefrau des K. wurde aufgrund ihrer sehr guten Grundschulnoten zur Oberschule gezwungen, obwohl sie eigentlich nur zur Mittelschule wollte. Der Direktor der Schule, der bestimmte, wer wohin geht, zwang sie zur Oberschule und verlangte von ihr als angehende Oberschülerin die Jugendweihe. Frau K. lehnte das Bekenntnis zum sozialistisch-atheistischen Staat ab mit der Begründung, dass sie Katholikin sei und ja gar nicht zur Oberschule gehen will, weil sie ein finanzielles Problem wegen ihrer kranken Mutter hatte, die als Kriegswitwe noch eine zweite zwei Jahre jüngere Tochter zu versorgen hatte. Eine wirkungsvolle finanzielle Unterstützung der Kriegswitwen und Kriegshalbwaisen, wie im Westen, gab es ja in der DDR nicht.

Mit der Verweigerung der Jugendweihe demonstrierte Frau K. ihre Antihaltung zum SED-Staat, den sie seit dem Mauerbau zutiefst verachtete. Sie hatte wie viele mit dem Gedanken gespielt, irgendwann in den Westen zu gehen, zumal Vater und Mutter im Westen geboren waren und alle Verwandten sich dort befanden. Man könnte auch sagen, dass sie eine Staatsfeindin war. Der Direktor verbaute der katholischen Staatsfeindin, die die Jugendweihe ablehnte, aber nicht den Weg zur Oberschule, weil man eben leistungsfähige, qualifizierte und fleißige Fachkräfte für die sozialistische Volkswirtschaft dringend brauchte, auch wenn es sich dabei um Staatsfeinde handelte.

Natürlich konnte man auf gar keinen Fall beruflich Untalentierte und Lernschwache zum Fernsehen, zur Ingenieur- oder Oberschule delegieren. Sie wären den Anforderungen des Fernsehbetriebes, der Ingenieur- oder Oberschule einfach nicht gewachsen gewesen. Der Staat DDR brauchte auch Fachleute und hat sie darum delegiert und qualifiziert.

Verfasser K.

Europas Counter Nr1
Europas Counter Nr1

K. stand nicht zum System und wurde trotzdem delegiert. Der Stasi-Leutnant Wol. der Kreisdienststelle Königs Wusterhausen hat 1966 festgestellt, d. h. nachdem K. sein Studium beendet und er bereits ein Jahr als Ingenieur beim Fernsehen der DDR gearbeitet hatte, dass K. ein “geistig hochstehender Mensch” sei, also in beruflicher Hinsicht kein Schwachkopf. Ein Schwachkopf war K. in den Augen des Stasi-Leutnants nur, weil er die verschrobenen Ansichten der Kommunisten nicht teilte, d. h. die sogenannten “politischen Zusammenhänge” nicht erkannte bzw. erkennen wollte, worauf der Stasi-Leutnant Wol. es nicht für angebracht hielt, K. für bestimmte Formationen innerhalb der NVA einzusetzen:

“… es ist nicht angebracht, den K. für bestimmte Formationen innerhalb der NVA einzusetzen.”

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