Psychische Folter
in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums
für Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen
Der Stasi-Vernehmer Major Wen hielt mich bei guter Laune, indem er mich mit den Psychopharmaka Rudotel und Radedorm vollgestopft hat. Ich erhielt diese nicht harmlosen “Mittelchen” ohne mein Wissen und Wollen nach meinem Unfall (L. de Maiziére: “Knastmauke”):
Rudotel wird angewendet zur Behandlung von psychischen Erkrankungen, insbesondere Angst- und Spannungszuständen. apotheken-umschau.de
Rudotel enthält den Wirkstoff Medazepam. … Der Wirkstoff Medazepam wird bei akuten oder chronischen Spannungs- und Erregungszuständen sowie bei Angststörungen angewendet. … Der Wirkstoff gehört zu den Benzodiazepinen und darf nur ärztlich verordnet werden, wenn die Erregungs- und Angstzustände so schwerwiegend sind, dass sie mit Medikamenten behandelt werden müssen. onmeda.de
Radedorm – Durch die große hypnotische Wirksamkeit ist es deshalb zur symptomatischen Kurzzeitbehandlung von Insomnie (Schlafstörungen) von klinisch bedeutsamen Schweregrad, die zum Beispiel durch Überbeanspruchung, Angst, Sorge usw. entstehen, angezeigt. wikipedia
Das ist ein Angriff auf meine körperliche Unversehrtheit und verstößt gegen alle rechtsstaatlichen Prinzipien. Wenn der Stasi-Arzt ein Arzt wäre und kein Folterknecht, hätte er die Symtome der Überbeanspruchung, Angst und Sorge mit einem Antrag auf Haftunfähigkeit heilen müssen, statt mit Verabreichnung von Psychopharmaka.
Nervenärztliche Einschätzung durch Stasi
“Nach seinen eigenen Darlegungen ging es ihm auch nicht nur um seine eigene Person, d. h. um das Empfinden, ungerecht behandelt zu werden, sondern um die Durchsetzung seiner ideologischen Vorstellungen. Die in den Tathandlungen erkennbaren Aspekte der Selbstwertüberhöhung sind deshalb nicht Ausdruck einer neurotischen Fehlverarbeitung, sondern einer wissentlichen und willentlichen Orientierung. Aus diesen Gründen ist der Beschuldigte aus forensisch-psychiatrischer Sicht als strafrechtlich voll verantwortlich anzusehen.”
Der Arzt hätte auf Grund der psychischen Folter und des Unfalles, den der Verteidiger, L. de M., verharmlosend als normale “Knastmauke” und der Stasi-Vernehmer, Major Wen., zynisch als “frühen Zusammenbruch” bezeichnete (s. Vernehmungsprotokoll), eine Traumatisierung feststellen können. Diese Feststellung wiederum hätte als Begründung für einen Antrag auf Haftverschonung dienen können. Auf die Idee, den Antrag zu stellen, kam der Arzt, Dr. med. Bö., natürlich nicht, weil er sich nicht als Diener des Patienten verstand, sondern als Diener der Staatssicherheit. Für den Arzt war nur wichtig festzustellen, dass K. “strafrechtlich voll verantwortlich” ist, d. h., dass K. seine Inhaftierung selber zu verantworten hat. Dass die Inhaftierung eine grobe Menschenrechtsverletzung darstellte (s. Strafanzeige), die natürlich auch die Gesundheit des Menschen verletzt, das kam dem Arzt nicht in den Sinn. Gerade als Arzt hätte er das aber erkennen müssen und etwas dagegen unternehmen müssen, z. B. in Form eines Antrages auf Haftverschonung.
Kurzbeschreibung
Erscheinungstermin: Oktober 2011
Sie waren Tscheckisten in Weiß: die Ärzte, die im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit im Haftkrankenhaus Berlin-Hohenschönhausen kranke Gefangene, “haft- und prozessfähig” machten.
Tobias Voigt und Peter Erler bringen mit ihrem Buch erstmals Licht in ein dunkles Kapitel der deutschen Medizingeschichte.
Das geheimste Krankenhaus der DDR befand sich ab 1960 auf dem hermetisch abgeriegelten Gelände der zentralen Stasi-Untersuchungshaftanstalt. Die MfS-Ärzte im Haftkrankenhaus unterstützten “mit den spezifischen Mitteln der Medizin” die Arbeit der Vernehmer. Dem Einblick der Zivilmedizin vollkommen entzogen, behandelten sie Knockenbrüche und Schusswunden gefasster “Grenzverletzer” wie auch Inhaftierte, die sich im Hungerstreik befanden oder an Haftpsychosen litten.
Dieses Buch zeichnet das spannungsreiche Bild einer Heilkunde, die im Dienst der Stasi stand – ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der DDR.
Auszug
Kundenrezension
…das geheimste Krankenhaus der DDR war am Ende… 13. Dezember 2011
Von Prof Eike Uhlich
Der tröstlichste Satz dieses schmalen und informativen Büchleins steht auf der letzten Seite, er lautet: “Der eben noch gefürchtete Minister für Staatssicherheit Erich Mielke wurde Gefangener im ehemaligen Stasi-Gefängnis und Patient des HKH (…) das er fast auf den Tag genau 30 Jahre zuvor gegründet hatte”. Tröstlich, weil dieses aus einer Wäscherei entstandene 25-Betten”krankenhaus” im Stasigefängnis Berlin- Hohenschönhausen ebenso wie der dazugehörige Staat aufgehört haben, zu existieren. Vergessen aber sollten und wollen wir diese Zeit nicht. Und genau das – nämlich die Erinnerung wach zu halten an den deutschen Teilstaat hinter der Mauer – sind das große Verdienst von Dr. Knabe (dem Leiter der Gedenkstätte und Verfasser des Vorwortes) sowie der beiden Autoren Voigt und Erler.
Nach wohl mühsamer Vor- und Kleinarbeit, dann mit sachlicher Akribie und schließlich bei gebremster Emotionalität wird hier eine Art Dokument vorgelegt über das Gebäude und die Pläne dessen, was man nur mit gutem Willen als Krankenhaus bezeichnen kann. Wir lesen über das Schicksal einiger Inhaftierer (nicht: “Patienten”), verfolgen die z.T. erstaunlichen Lebensläufe und Verhaltensmuster der (Chef)Ärzte, der Schwestern oder auch der Aufseher. Das Ganze wird unterlegt mit Bildern, Schriftstücken und weiteren Zeugnissen der zurückliegenden Ereignisse. Man erfährt, dass es etwa 3.000 Patienten dort gegeben habe (vorwiegend Männer), dass pro Jahr anfangs etwa 100, später 200 Patienten stationär aufgenommen worden seien und dass es einen Operationsraum und ein Röntgengerät gegeben habe, alles in allem also ein eher sehr kleines Krankenhaus.
Als Mediziner würde man – kleiner Kritikpunkt – gern noch einige Daten mehr (falls überhaupt auffindbar) über die durchschnittliche “Liegedauer”, über das “Diagnosespektrum” oder die damals dort mögliche “Diagnostik” lesen, also auch über das, was die Häftlinge aus den Zellen des Gefängnisses in die Zellen der Klinik gebracht hat. Insgesamt ein weiteres wichtiges Mosaiksteinchen gegen das Vergessen eines bedrückenden aber wichtigen Stückchens deutscher Geschichte; dafür den Autoren ein Dankeschön!
Ein weiterer Aspekt der menschenliebenden roten Ideologie 27. Februar 2012
Von Platinum
Dieses Buch löste schon vor Erscheinen eine breite Debatte über die Menschenrechtsverletzungen der DDR und Stasi-Mitarbeiter aus und hier in Berlin verschwanden sämtliche TV-Dokumentationen mit Zeitzeugen im Nachtprogramm. Schließlich möchte man den rot-roten Senat und altgediente Kader nicht brüskieren…
Das Haftkrankenhaus in Berlin-Hohenschönhausen war an den berüchtigten STASI-Knast angeschlossen und diente als Sammelbecken für alle Insassen, die dank der pfleglichen Behandlung im Gefängnis krank wurde, auf offener Straße krank wurden oder auch gerne als psychisch krank galten. Die Hauptaufgabe bestand darin, die angeschlagenen Insassen noch stärker zu malträtieren und Schwerstkranke so lange am Leben zu erhalten, bis man die Informationen hatte, die man gerne hören wollte oder erhofft hat.
Im vorliegenden Buch bekommt man einen sehr gelungenen Überblick über die Haft- und HEIL-Methoden der roten DDR-Führung und da Überlebende zu Wort kommen, gewinnt dieser Bericht zusätzlich an Tiefe. Einmal mehr erkennt man die Unmenschlichkeit dieses sozialistischen Regimes, daß seine eigenen Bürger erschossen hat und einsperren musste.
Und das schlimme: diese 40jährige, sehr dunkle Zeit der deutschen Geschichte ist noch nicht vorbei. Der Gesinnungsterrorismus beginnt von vorn.
Schulpflicht. SO war die DDR. Vergesst diese OSTalgie.
Hippokrates im Klassenkampf 4. Dezember 2012
Außerordentlich gründlich recherchiert, schildert dieses Buch realistisch das geheimste Krankenhaus der DDR, exklusiv für politische Häftlinge errichtet und betrieben. Es war eine ergänzende Einrichtung der gleichfalls strengst geheimgehaltenen angrenzenden Stasi-Untersuchungshaftanstalt. Solange letztere ab 1945 zunächst dem sowjetischen Terrorapparat NKWD diente und dessen Häftlinge im berüchtigten Untertage-Knast “U-Boot” gehalten und malträtiert wurden, bedurfte es keiner Krankenstation. Wer die grausame Haft nicht lebend überstand, wurde spurlos “entsorgt”.
Im SED-Staat war hingegen der geheimgehaltene Abverkauf politischer Häftlinge an die Bundesrepublik gegen harte Währung fester Bestandteil der planmäßigen Devisenbeschaffung. Nur lebendige politische Häftlinge waren jedoch verkäuflich, an verstorbenen hatte die Abnehmerseite kein Interesse. Ergo galt es, die Untersuchungshäftlinge, die – ohne jegliche rechtsstaatliche Präsumption der Nichtschuld – generell von vornherein als “Feinde” stigmatisiert wurden, körperlich insoweit intakt zu halten, daß beispielsweise auch bei Fluchtversuchen an der Grenze angeschossene Schwerverletzte vernehmungs- sowie anschließend als Angeklagte der politischen Strafjustiz prozeßfähig blieben und in den Strafvollzug verbracht werden konnten, die Durchgangsstation für späteren “Freikauf”. Auch bei der großen Anzahl politischer Häftlinge (einschließlich der von Stasi-Uhaftanstalten aus der gesamten DDR antransportierten) haftbedingt oder aus anderer Ursache entstandene Erkrankungen waren in Hohenschönhausen stationär zu behandeln, im Hinblick darauf, was der SED-Staat mit den Delinquenten vorhatte. Der Terminus “Patient” kam nicht vor.
Aufschlußreich ist auch die Offenlegung der Tätigkeit und der Karrieren des Krankenhauspersonals.
Zur Abrundung der wichtigen Öffentlichkeitsinformation über Zustände und Vorgänge im Geheimareal “Hohenschönhausen” ist das Buch sehr zu empfehlen.
medizin hinter gittern 6. Januar 2013
Von Martina Burgard
lesenswert für alle die noch heute das ddr-system verklären, beschrieben wird der menschenverachtende umgang mit kranken menschen, die für ihren freiheitswillen, ihre ehrlichkeit und ihren mut kriminalisiert und als volksfeinde eingesperrt wurden, das dritte reich lässt grüßen, demrimierend da die täter nach dem ende der ddr nicht zur verantwortung gezogen wurden
Medizin hinter Gittern 20. Januar 2013
Von Anette Henke
Unglaublich!!! Ich bin selbst aus der Medizin und habe in meinem beruf als Hebamme nur Gutes getan, Leben erhalten, bewahrt und geschüzt.
Ich finde einfach keine Worte, in den Krankenhäusern wurden Menschen mißhandelt und psychisch gequält.
Beim lesen liefen mir die Tränen. Nie wieder möchte ich eine Diktatur erleben.
Grausam 18. Januar 2013
Von M. Diedering
… auch hier wird einem die sogenannte “Banalität des Bösen” vor Augen geführt. Alles unter dem Deckmantel gutes zu Tun für ein “humanes” Gesellschaftssystem.
Sehr gutes Buch 21. März 2013
Von Torsten
Meine Frau und ich waren in Hohen-Schönhausen wir kommen zwar aus dem Osten Deutschlands und waren mit den Verhältnissen in der DDR vertraut aber der Besuch dort ging einem schon sehr nahe. Dieses Buch bringt einen noch viel näher an das damalige Geschehen.